IT-Recht / Vertragsrecht

Emojis als Willenserklärung

Kann man mit Emojis Verträge schließen?

Emojis vor dem OLG München

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat mit Endurteil vom 11.11.2024, Az. 19 U 200/24 e, entschieden, dass das Emoji "Grimassen schneidendes Gesicht“ (Unicode: U+1F62C) "grundsätzlich negative oder gespannte Emotionen" darstelle und hierdurch "besonders Nervosität, Verlegenheit, Unbehagen oder Peinlichkeit" ausdrücke und damit gerade keine Zustimmung erteilt werden sollte.

Gegenstand des Rechtsstreites war ein Kaufvertrag über einen neuen Ferrari SF90 Stradale, die rechtliche Würdigung des Vertrages sowie die Rechtswirksamkeit der AGB. Streitentscheidend waren zuletzt mitunter die Chatverläufe zwischen den Parteien, wobei insbesondere um die Auslegung der Bedeutung des Emojis "😬" gestritten wurde.

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Zum Sachverhalt

Der Käufer, der Betreiber einer Immobilienfirma, bestellte Ende 2020 den Neuwagen bei einem Kfz-Händler. Im Vertrag fand sich der Liefertermin "2./3. Quartal 2021 (unverbindlich)".

Im August 2021 wandte sich der Händler per WhatsApp an den Käufer und teilte mit, dass der "SF 90 Stradale […] leider auf erstes Halbjahr 2022".

Hierauf antwortete der Käufer „Ups 😬".

Nach weiteren Chat-Nachrichten, dabei mehrfachen Aufforderungen zur Lieferung und mehrfachen Mitteilungen von Lieferverzägerungen, erklärte der Käufer im Oktober 2022 den Rücktritt vom Kaufvertrag (was bei einem vereinbarten Kaufpreis von 80.000 EUR über Listenpreis – insgesamt in Höhe von knapp 620.000 EUR – nicht verwunderlich scheint).


😬 steht nicht für Zustimmung

Neben der reinen vertragsrechtlichen Fragen, durfte sich das Gericht damit beschäftigen, ob die im Chat verwendeten Emojis im Kontext der Mitteilungen zu den Lieferverzögerungen als Zustimmung zu diesen, und damit zur Änderung des ursprünglichen Vertrages geführt haben.

Das Gericht führt hierzu so aus:

"Eingedenk des Vorstehenden ist die Verwendung des Emojis "😬" in der WhatsApp-Nachricht des Klägers vom 23.09.2021 nicht als Zustimmung zur Aussage des Beklagten in der Nachricht zuvor zu werten „Der SF 90 Stradale rutscht leider auf erstes Halbjahr 2022.“

62Ausgehend von seiner in den gebräuchlichen Emoji-Lexika Emojipedia (https://emojipedia.org/de/grimassen-schneidendes-gesicht [abgerufen: 11.11.2024]) und Emojiterra (https://emojiterra.com/de/grimassen-schneidender-smiley [abgerufen: 11.11.2024]) angegebenen Bedeutung stellt der sog. „Grimassen schneidendes Gesicht“-Emoji (Unicode: U+1F62C) grundsätzlich negative oder gespannte Emotionen dar, besonders Nervosität, Verlegenheit, Unbehagen oder Peinlichkeit.

Dass die Parteien des Rechtsstreits – individuell oder aus Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe – diesem eine davon abweichende Bedeutung beimaßen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zudem ist der spezifische Kontext zu berücksichtigen, in dem der Emoji verwendet wurde. Der daneben vom Kläger verwendete Ausdruck „Ups“ ist allenfalls als Ausruf der Überraschung oder des Erstaunens zu werten, keinesfalls ist damit eine zustimmende Aussage verbunden."


Auch Piktogramme und Emojis können verpflichten

Deutlich wird, dass nicht nur das gesprochene, geschriebene oder getippte Wort als solches rechtliche Bedeutung hat. Vielmehr, und hierzu führt das Gericht treffend aus, können Willenserklärungen "sowohl ausdrücklich – mündlich oder in schriftlicher Form – als auch konkludent – d.h. durch schlüssiges Verhalten – erfolgen."

Dabei stellen Emojis ebensolches "konkludentes Verhalten" dar, so das Gericht:

"Der Erklärende kann seinen Willen mittels Zeichen kundtun (Singer in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2021, § 133 Rz. 8; Biehl, JuS 2010, 195 [197]), d.h. auch durch digitale Piktogramme – wie Emojis.

Diese werden häufig genutzt, um eine Aussage zu unterstreichen oder zu verstärken oder sollen klarstellen, in welchem Sinne etwas zu verstehen ist (z.B. ironisch). In dieser Funktion erfüllen Emojis im digitalen Diskurs ähnliche Funktionen wie Intonation, Gestik, Mimik und andere körpersprachliche Elemente in realen Gesprächen (Pendl, NJW 2022, 1054 [1056 Rz. 12]).

Teilweise werden aber auch Worte innerhalb eines Satzes durch ein Emoji ersetzt. Ob der Verwender von Emojis einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen oder lediglich seine Stimmungs- oder Gefühlslage mitteilen möchte, ist eine Frage der Auslegung (Freyler, JA 2018, 732 [733])."


Es kommt auf den Einzelfall an

Das Gericht lässt es sich dabei nicht nehmen, mehrfach darauf hinzuweisen, dass es "drauf an kommt", denn:

"Emojis besitzen als Zeichen Interpretationsmöglichkeiten, die heranzuziehen sind; dabei spielen allerdings nur solche eine Rolle, die der Empfänger auch verstehen konnte (Freyler, JA 2018, 732 [734]). Umstände, die dem Erklärungsempfänger weder bekannt noch erkennbar waren, bleiben außer Betracht (BGH, Urteil v. 05.10.2006, Az. III ZR 166/05, Rz. 18: Ellenberger in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 133 Rz. 9). […]

Emojis bergen somit die Gefahr von Missverständnissen und Fehlschlüssen, weil die konkret verwendeten Symbole möglicherweise auf einem spezifischen „Emoji-Soziolekt“ beruhen, der bloß innerhalb einer bestimmten Gruppe existiert (Pendl, NJW 2022, 1054 [1056 Rz. 14]; illustrativ auch Püttmann/Opfer, LTO v. 02.11.2024: Vorsicht mit Emojis, https://www.lto.de/persistent/a_id/55764 [abgerufen: 11.11.2024], zum Emoji ✂️ )."

Stand:

10.01.2025

zum autor

Alexander Graf-Rachut
ist Gründer der Rechtsanwaltskanzlei fennec und Lehrbeauftragter für IT-Recht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg im Modul Cybersicherheitsrecht.

Als Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator und Rechtsinformatiker berät und vertritt er insbesondere Start-Ups, KMU und Unternehmen im Schnittfeld von IT- und IP-Recht.